Pressemitteilung
Informationsfreiheit contra Demokratiedefizit
Sollen Verwaltungsvorgänge im Memminger Rathaus allgemein zugänglich, transparent und damit nachvollziehbar gemacht werden? Dieser Frage ging auf Einladung der ÖDP-Stadtratsfraktion in Kooperation mit Mehr Demokratie Frau Dr. Heike Mayer, München, Sprecherin des Bündnisses für Informationsfreiheit in Bayern, nach. In ihrem Impulsreferat ging sie auf die Geschichte des Informationsfreiheitsgesetzes, dessen Bedeutung und Nutzen ein. Basierend auf einer Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2001 gäbe es seit 1.1.2006 ein Bundes-Informationsgesetz, das Bürgerinnen und Bürgern Einsicht in die Akten der öffentlichen Verwaltung ermögliche. 11 von 16 Bundesländern hätten ein eigenes Informationsgesetz erlassen. In Bayern stelle sich der Landtag bisher gegen ein Akteneinsichtsrecht seiner Bürger. 10 bayerische Kommunen, darunter Städte wie Passau, Coburg und Schwandorf, hätten nun die Sache selbst in die Hand genommen und Informationsfreiheitssatzungen erlassen. Großstätte wie München und Nürnberg diskutierten derzeit die Informationsfreiheit, die quer durch alle Parteien als ein demokratisches Kontroll- und Mitgestaltungsrecht für alle Bürger verstanden werde. Wo Informationsfreiheit bestehe, habe jedermann das Recht auf einen voraussetzungslosen Zugang zu den Informationen in der öffentlichen Verwaltung. Wichtig und gleichzeitig beruhigend sei, dass eine Informations-freiheitssatzung im Einklang mit den Schutzbestimmungen anderer Gesetze, wie zum Beispiel dem Bundesdatenschutzgesetz stehe. Die Daten der Bürger seien nicht in Gefahr. Auch, so Dr. Mayer, werde das Recht auf Informationsfreiheit nicht inflationär in Anspruch genommen. Anfängliche Bedenken der Kommunen hätten sich nicht bestätigt. Im Gegenteil, eine Informationsfreiheitssatzung schaffe Rechtssicherheit, sei ein Schritt zur Stärkung der Bürgerinnen und Bürger und damit der Demokratie insgesamt. An gemeindlichen Fallbeispielen machte die Referentin deutlich, dass eine transparente Verwaltung Vertrauen in die Politik schaffe. Damit wirke eine Gemeinde der immer stärker werdenden Politikverdrossenheit entgegen. Auch latenten Vorwürfen von Vetternwirtschaft, Geheimhaltungspolitik und Mauschelei würde der Boden entzogen. Frau Mayer ließ keinen Zweifel daran, dass Informationsfreiheitssatzungen rechtlich zulässig seien und appellierte an Bürgermeister und Räte, eine Satzung für ihre Gemeinde zu erlassen. Auf diese Weise wäre den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit gegeben, Vorgänge und Entscheidungen besser nachvollziehen und akzeptieren zu können. Gerade das Beispiel um Stuttgart 21 zeige, wie wichtig es sei, den Bürgern mehr Eigenverantwortung in einer „aktiven Bürgergesellschaft“ an die Hand zu geben.
Das ausführliche Referat ließ kaum Fragen offen. Die anwesenden Stadträte aus den Fraktionen von CSU, Bündnis 90/Die Grünen und ÖDP, wie auch die übrigen interessierten Gäste, diskutierten eine praktikable Vorgehensweise. Als sinnvoll wurde ein fraktionsübergreifender Antrag unter Vorlage eines Entwurfs für eine Informationsfreiheitssatzung erachtet. Prof. Dr. Buchberger, der Sprecher der ÖDP-Fraktion im Memminger Stadtrat bat die anwesenden Kolleginnen und Kollegen, das Thema in ihre Fraktionen zu tragen und zu beraten. Prof. Dr. Buchberger und Gerd Hoffmann von Mehr Demokratie in Memmingen bedankten sich bei Frau Mayer. Diese will für Rückfragen weiter zur Verfügung stehen und ist der Auffassung, dass der ehemals freien Reichsstadt eine Informationsfreiheitssatzung gut zu Gesicht stünde. Unter www.informationsfreiheit.org kann sich jeder Bürger in die Thematik vertiefen.